Sonntag, 25. September 2016

What is essential for one is good for all.

Als die deutsche Delegetation offiziell im Ministerium für Erziehung und frühe Kindheitsentwicklung ankam, wurde sie bereits mit Swag begrüßt - so oder so ähnlich könnte man diesen Blogeintrag beginnen. Tatsächlich wurden wir im Departement of Education & Early Childhood Development in New Brunswick hochoffiziell empfangen. Wir bekamen kleine Geschenke (die vom Minister scherzhaft als "Swag" bezeichnet wurden, was soviel wie "(Diebes-)beute" bedeutet), Kaffee und Gebäck sowie eine ausführliche Präsentationsmappe überreicht. Nach relativ kurzer Zeit stellte sich heraus, dass wir fälschlicher Weise für Regierungsmitarbeiter*innen gehalten wurden. Sympathisch fanden wir die Reaktion, dann könnte man ja auch ehrlich sein.
In sechs Stunden besprachen wir mit verschiedenen Expert*innen die Programme und Ansätze des Ministeriums der Inklusiven Bildung auf Basis der Menschenrechte.



Diese sechs Stunden waren wohl bisher die themenintensivsten, die wir auf unserer Exkursion erlebt haben.
In der Einleitung zum Thema Inklusion sprach der Minister schon einige unserer Schlüssselthemen an - Kinderrechte, Menschenwürde, die Immigration von Menschen nach Kanada, Rechte von LGBQIT people und die schwierige Geschichte Kanadas mit der indigenen Bevölkerung. Kelly ging bedacht, selbstkritisch und mit erstaunlich tiefem Fachwissen auf unsere Fragen ein, die Begeisterung für die gesamte Inklusionsthematik war ihm anzumerken. Ich denke, dass ein dermaßen offenes Gespräch mit Minister*innen in Deutschland schwierig wäre.



In New Brunswick gibt es seit 2013 das erste offizielle politische Programm zur inklusiven Schulbildung. Des Weiteren ging es noch um die Machtverteilung im Schulkontext und die kritische Auseinandersetzung damit, ob es wirklich sinnvoll ist einer Lehrperson allein die komplette "Gewalt" über die Klasse zu geben.



Ein auf Grund der aktuellen Situation für uns besonders spannender Programmpunkt war der Vortrag von Tammy Strong und Sylvie Arseneau, die über "Newcomer Students" sprachen. In Kanada wird fast überall statt von Flüchtlingen oder Refugees von "Neuankömmlingen" bzw. "Neuen Kanadier*innen" gesprochen. Diese sprachliche Feinheit zeigt auch wieder, wie sensibel mit solchen Themen hier umgegangen wird. Seit Januar 2016 gibt es laut Strong mehr als 500 syrische Neuankömmlinge in Kanada. Ganz deutlich sagen sowohl Tammy Strong als auch Sylvie Arseneau, wie wichtig die Immigration für New Brunswick und ganz Kanada ist. Dort schrumpft die Zahl der Einwohnenden massiv. Inzwischen sterben jährlich mehr Menschen in Kanada als neu geboren werden. Es gäbe zwar wohl auch Widerstände in der Bevölkerung, jedoch nicht ansatzweise so massiv, wie wir es gerade in Deutschland erleben. Der Prime Minister beispielsweise ging mit gutem Beispiel voran und begrüßte medienwirksam die ersten syrischen Neuankömmlinge am Flughafen mit Mützen und Jacken, ließ Fotos schießen und setzte so ein deutliches Zeichen dafür, dass diese Menschen nicht nur geduldet, sondern erwünscht sind. Auch "Welcome Centers" wurden eingerichtet, in denen Menschen Zugang zu psychologischer und ärztlicher Betreuung gewährt wurde, EAL-Lehrer*innen (Englisch als Fremdsprache) anwesend waren sowie Personen, die sich ehrenamtlich um die Bürokratie kümmerten.

Arabisch sprechende Kinder und Erwachsene meldeten sich freiwillig, um beim Übersetzen zu helfen und so wurde auch diese Ressource neu entdeckt. Kinder konnten plötzlich stolz ihren Lehrer*innen beim Kommunizieren mit neuen Schüler*innen helfen. Immer wieder betonten Strong und Arseneau wie wichtig Zusammenarbeit und Partnerschaft in der Inklusionsarbeit wären und wurden nicht müde, sich gegenseitig für ihre gute Arbeit zu loben.
Nach einer Mittagspause war vielleicht noch das spannendste Thema der Vortrag von Isabelle Cowan, die über die nötige Unterstützung für Schüler*innen im Autismus Spektrum sprach. Im EECD Provincial Autism Training werden auf Grundlage einer Diagnose individuell mit Menschen im Autismus Spektrum unter anderem alternative (gesellschaftlich angesehene) Verhaltensmuster trainiert.

Nach diesem Tag schwirrte uns den restlichen Abend der Kopf, zum Glück stand "nur noch" der Einkauf im Supermarkt für das Wochenende an. Jeder einzelnen Person war anzusehen, dass die zwei Tage im Fundy Nationalpark nötig sein würden, um die gesammelten Eindrücke zu sortieren und zu verarbeiten.

Wir melden uns bald wieder, um sie mit euch zu teilen.
Liebe Grüße & bis bald.

Annekat

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